Im Wartezimmer
Da sitze ich nun also im Wartezimmer des Kinderarztes, lange schon. Meine Tochter beschäftigt sich mit ihrem Smartphone, mit was auch sonst... und ich sitze da und schaue in die Runde. Minute um Minute vergeht. Eigentlich haben wir einen Termin, das scheint hier aber niemanden zu stören... ich habe noch so viel zu tun. Ich dachte, wenn ich den Termin gleich am Vormittag mache, habe ich noch genug Zeit all meinen Aufgaben nachzukommen bevor ich zum Spätdienst muss.
Eine weitere Viertelstunde vergeht und ich merke wie die anfänglich geduldige Haltung meinerseits in Unmut und Ärger umschlägt. Wieso geben die mir überhaupt einen Termin, wenn ich dann eh nicht drankomme?
Meine Güte, hätte ich doch bloß gestern Abend noch die Unterlagen für die Weiterbildung vorbereitet, aber der Film war so spannend und ausserdem war ich einfach müde.
Vorkochen hätte ich ja echt auch schon können.
Ach du liebe Zeit, da fällt mir ein die älteste hätte ja heute auch noch ihre Hose gebraucht. Jetzt hab ich die Waschmaschine nicht eingeschalten. Eigentlich wollte ich das ja gleich heute Morgen machen, aber ich war noch so müde und wollte noch etwas liegen bleiben bevor die Kinder aufstehen.
Ach, dass reicht jetzt nie und nimmer! Toll, und das alles weil die es hier nicht hinbekommen ihre Termine zu regeln.
Ich bin einfach nicht fähig alles unter einen Hut zu bekommen. Meine Tochter legt ihr Handy beiseite und sieht mich ungeduldig an: "Dauert das denn noch lange? Ich mag nicht mehr warten!"
Das ist mein Stichwort! Ich gehe zur Anmeldung
und mache meinem Unmut Luft.
Die Arzthelferin beschwichtigt mich und meint es dauert nicht mehr so lange. Ich müsse mich aber noch etwas gedulden, da im Moment einfach viel los ist.
Toll!!!
Der Vormittag ist nun fast vorbei und ich habe nichts erledigt.
Da ruft meine Chefin an.
"Hallo Frau Beil, könnten sie heute evtl. schon eine Stunde früher zum Dienst kommen?" In meinem Kopf schreit alles!
"Nein, kann ich nicht! Ich schaffe ohnehin nichts!"
Und was sage ich? "Ja, klar! Kein Problem!"
In diesem Moment kann ich mich nicht leiden! Und deshalb packe ich mein Kind am Ärmel, dass mit den Füssen vor Langeweile hin und her baumelt und raunze sie an: " Jetzt bleib doch mal ruhig sitzen! Ich kann auch nichts dafür, dass es hier so lange dauert!"
Wir werden aufgerufen.
Diese Begebenheit hat mich im Nachhinein noch lange beschäftigt.
Kennst du diese oder ähnliche Situationen auch? In denen wir uns einfach selbst nicht leiden können? Oft sind wir so unglaublich streng zu uns selbst. Verurteilen uns, beleidigen uns, sind unzufrieden und zu guter Letzt sind wir auch noch ungerecht zu unseren Liebsten.
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst....
so steht es einige male in der Bibel geschrieben. Ja und? Ist doch kein Problem, oder doch?
Was heißt Selbstliebe denn jetzt eigentlich genau und was hat das mit meinem Nächsten, also dem Neben mir zu tun?
Die Definition von Selbstliebe laut Wikipedia lautet:
Selbstliebe, auch Eigenliebe, bezeichnet die allumfassende Annahme seiner selbst in Form einer uneingeschränkten Liebe zu sich selbst. Der Begriff ist sinnverwandt, jedoch nicht vollständig synonym, mit Begriffen wie Selbstannahme, Selbstachtung, Selbstzuwendung, Selbstvertrauen und Selbstwert. (https://de.wikipedia.org/wiki/Selbstliebe)
Selbstliebe ist ein vielschichtiges Thema, weil ich, der Mensch auch ein komplexes und vielschichtiges Geschöpf bin. Wo beginnt Selbstliebe? Die Antwort steckt in dem Wort Selbstliebe. Selbst und Liebe.
Liebe ich mich selbst?
Liebe ich es Frau/Mann zu sein?
Liebe ich meinen Körper?
Liebe ich das Leben?
Kann ich mich mit all meinen Charakterzügen annehmen? Mag ich meine Haare? Meine Stimme?
Hier braucht es Mut zur Wahrhaftigkeit. Ein in sich hinein hören. Einmal genau hinzuschauen und all das was wir an uns verachten, verabscheuen und am liebsten weghaben wollten, anzunehmen und mit Liebe zu betrachten.
Dazu fällt mir eine Geschichte ein die ich dir erzählen möchte.
Es war eine Mutter, die hatte vier Töchter, jede von Ihnen war so anders als die andere. Besonders. Die älteste war wunderschön und glich vom ersten Tag an einer Prinzessin. Sie wusste genau was sie wollte und kämpfte dafür.
Die Zweite im Bunde hatte blondes langes Haar und locken wie im Märchen und ihr lachen steckte einen sofort an. Fröhlichkeit war ihr von Geburt an Begleiter.
Die Jüngste war klug und schön und wusste sich in jeder Situation zu helfen. Mit ihren grünen Augen und den wunderschönen Wimpern war ihr jeder sofort erlegen.
Vielleicht hast du bemerkt das die dritte im Bunde bei der Aufzählung fehlt. Denn sie war von Anbeginn ein wenig anders wie wir es vielleicht von einem Mädchen erwarten würden. Sie wollte keine Kleider anziehen und mit Puppen mochte sie auch überhaupt nicht spielen. Sie mochte einfach keine Rüschen und Schleifchen und Glitzer. Sie wollte Fussballspielen und Boxen und Autorennen und kurze Haare und in der Jungsabteilung der Bekleidungsgeschäfte einkaufen. Aber auch sie war wunderschön. Außerdem war sie gerecht und kämpfte für die anderen mit. Sie war ein echter Teamplayer.
Die Mutter der Töchter betrachtete jeden Tag ihre Kinder und war höchst zufrieden mit Ihnen. Es gab nichts was sie an Ihren Töchtern ändern hätte wollen.
Andere Menschen in der Umgebung fanden schon, dass gerade die dritte der Töchter etwas aus dem Rahmen fiel und man doch schließlich Grenzen setzen sollte. Die Mutter musste sich oft anhören, dass sie es schon irgendwann bereuen würde wenn Sie ihr alles durchgehen lassen würde.
Aber die Mutter der vier wunderschönen Töchter betrachtete jeden Abend ihre Kinder und war höchst zufrieden mit Ihnen.
Wenn wir es schaffen uns Selbst immer wieder ein wenig aus der Ferne zu betrachten. So wie es die Mutter der vier Töchter an jedem Tag tat. Ohne zu richten und verändern zu wollen. Ohne zu verurteilen oder zu berechnen. Sondern das Schöne zu sehen. Die Eigenschaften die uns gegeben sind anzunehmen. Die anderen reden zu lassen. Uns selbst eine Meinung zu bilden. Und mit einem dankbaren Herzen zu sehen.
Ich glaube, das nennt man sich selbst annehmen und mit Liebe betrachten.
Wenn wir uns aufmachen zu dieser Reise zu uns selbst, brauchen wir eine Überzeugung die uns sagt wer wir sind und wozu wir sind. Für mich ist das der Glaube an Jesus Christus.
Was ist deine Überzeugung, deine Erkenntnis in deinem Leben?
Zu Beginn steht nun also die Entscheidung! Ja, ich möchte mich annehmen. Mit all meinen Kanten und Ecken. Mit meiner Vergangenheit. Mit allem was ich Erlebt habe, meinen Erfahrungen.
Wie oft sagen wir, hätte ich doch damals anders entschieden. Warum hab ich bloß? Wäre doch damals...
All dies ist nicht Liebe.
Du darfst dir sagen, ich habe es so gut gemacht wie ich, in der damaligen Situation, konnte.
Wenn du Fehler gemacht hast, verzeihe dir.
Wenn ein Tag besonders hart ist, sag dir: "Heute brauche ich eine Auszeit. Denn ich lerne mich gerade erst richtig kennen."
Versuche dir jeden Tag zu sagen: "Ich bin wertvoll, ich bin gut genug, ich liebe mich so wie ich bin."
Ich wünsche dir viele gute Tage. Tage an denen es dir gelingt dich so anzunehmen wie du bist.
Herzgesteuerte Grüße
Sandra
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